Geschrieben für Business of Cannabis von Prohibition Partners Senior Analyst Lawrence Purkiss
Eine Reihe von Änderungsvorschlägen zum Cannabisgesetz (CanG), die Anbauverbände weiter einschränken würden, könnten noch vor dem 1. Juli eingebracht werden. Nach einer neutralen Einschätzung der Anwaltskanzlei Witzel Erb Backu & Partner könnten diese Änderungen gegen das deutsche Grundgesetz verstoßen.
Die vorgeschlagenen Änderungen sollen in dieser Woche diskutiert werden. Die erste Lesung soll am Donnerstag, den 16. Mai 2024, stattfinden, die live übertragen wird. Nach einer 30-minütigen Debatte werden sie zur weiteren Beratung an den federführenden Gesundheitsausschuss verwiesen.
In den Tagen und Wochen vor der entscheidenden Abstimmung des Bundesrates über das Cannabisgesetz (CanG), die am 22. März 2024 stattfand, war die Befürchtung weit verbreitet, dass das Ergebnis die Einberufung des Vermittlungsausschusses sein würde. Das Verfahren des Vermittlungsausschusses hätte die neue Gesetzgebung um mindestens mehrere Monate verzögert und im schlimmsten Fall ganz beendet.
Um das Verfahren des Vermittlungsausschusses abzuwenden, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine Reihe von Änderungsvorschlägen zum Cannabisgesetz eingebracht, die einige Bedenken der Hauptgegner des Gesetzes ausräumen sollen. Diese Änderungen wurden in Form einer ‚Protokollerklärung‘ vorgebracht, die vor der Abstimmung veröffentlicht wurde und als Absichtserklärung der Bundesregierung diente, eine Reihe von Elementen der neuen Gesetzgebung vor dem 1. Juli zu überprüfen (und möglicherweise zu ändern), wenn die Anbauverbände ihre Tätigkeit aufnehmen dürfen.
Die in der Protokollerklärung enthaltenen Änderungen, die die ohnehin schon strengen Auflagen für die Arbeit von Anbauverbänden weiter verschärfen würden, haben vorhersehbar breite Kritik von Interessenvertretern der Cannabisindustrie erhalten. Noch wichtiger ist jedoch, dass die rechtlichen Grundlagen einiger der Änderungen in Frage gestellt wurden – einige Aspekte der Änderungen werden als verfassungswidrig angesehen.
Die stärkste Kritik findet sich in einem Rechtsgutachten der Münchner Verwaltungsrechtskanzlei Witzel Erb Backu & Partner. Die Firma wurde von einem Mitgliedsunternehmen des Bundesverbands der Cannabiswirtschaft (BvCW) beauftragt, eine Überprüfung der Protokollerklärung vorzunehmen, mit der Bitte um eine neutrale Bewertung.
Der Bericht enthält eine detaillierte Analyse der problematischen rechtlichen Auswirkungen von zwei wichtigen Änderungsvorschlägen. Im Folgenden finden Sie eine Zusammenfassung dieser Analyse. Den vollständigen Bericht finden Sie hier – https://240254.seu2.cleverreach.com/c/94594741/48e966e4410-scutel
Vorgeschlagene Änderung 1 – Nähe von Anbauverbänden
Eine Genehmigung kann (nach Ermessen der Behörde) verweigert werden, wenn die Anbaufläche oder das Gewächshaus baulich mit den Anbauflächen oder Gewächshäusern anderer Anbauverbände verbunden ist oder sich in deren unmittelbarer Nähe befindet
Grund angegeben
Ermöglicht Spielraum, um großflächige Cannabisanbaugebiete zu verhindern, damit keine kommerziellen Aktivitäten entstehen.
Warum es problematisch ist
Erstens wird dadurch die verfassungsrechtlich geschützte Privatautonomie der Erzeugerverbände verletzt. Denn die Bestimmung, dass die Erlaubnis zum Anbau aufgrund der Nähe zu anderen Vereinigungen oder aufgrund des Vorhandenseins eines strukturellen Netzwerks verweigert werden kann, stellt eine unzulässige Einmischung in die internen Angelegenheiten der Vereinigungen dar und verletzt ihr Recht auf Selbstbestimmung.
Zweitens verstößt dies gegen den verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz der Gleichbehandlung. Denn die Vorschrift diskriminiert Anbaugemeinschaften, die sich in der Nähe anderer befinden oder strukturell miteinander verbunden sind, ohne dafür objektive Gründe zu nennen. Eine solche willkürliche Unterscheidung zwischen den Verbänden ist mit dem Verfassungsgrundsatz der Gleichbehandlung unvereinbar und daher rechtswidrig.
Drittens verstößt dies gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Verordnung ist weder geeignet noch erforderlich, um die Schaffung von „kommerziellen Plantagen“ oder „großflächigen Anbaugebieten“ zu verhindern und ist daher unverhältnismäßig. Dem sich aus dem europäischen und internationalen Recht ergebenden Ausschluss des „kommerziellen“ Anbaus wird bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die Anbauverbände nur in Form von eingetragenen gemeinnützigen Vereinen oder eingetragenen Genossenschaften betrieben werden dürfen. Es gibt bereits Beschränkungen bei der Mitgliedschaft (maximal 500 Mitglieder) und den Mitgliedsbeiträgen (ausreichend, um nur die laufenden Kosten zu decken), um den nicht-wirtschaftlichen Charakter des Anbauverbands zu gewährleisten. Es gibt also bereits ein milderes Mittel, um den kommerziellen Anbau zu verhindern. Die Verordnung ist daher nicht notwendig.
Schließlich ist im CanG – wie auch in der Begründung zum Gesetzentwurf, der im August 2023 vom Kabinett verabschiedet wurde – vorgesehen, dass mehrere Anbauverbände gemeinsam Flächen bewirtschaften können. Das Gesetz erlaubt dies ausdrücklich, solange sie klar voneinander abgegrenzt sind, eine eindeutige Zuordnung der Pflanzen und Erträge gewährleistet ist und jede Vereinigung ihre jeweiligen Verpflichtungen nach dem CanG und den entsprechenden Vorschriften erfüllt. Auf der Grundlage dieses Gesetzes haben zahlreiche Verbände bereits mit der Planung von Anbauflächen und der Beschaffung von Ausrüstung begonnen. Diejenigen Verbände, denen auf der Grundlage dieses Änderungsantrags Genehmigungen verweigert würden, würden in ihrem Recht auf ungestörten Besitz und Nutzung ihres Eigentums verletzt werden.
BvCW veröffentlicht Rechtsgutachten – Verschärfung des Cannabisgesetzes verfassungswidrig?
🚫 Stärkung der Organisierten Kriminalität durch Verbot von “Grow-Hubs” befürchtet https://t.co/7DaY5l3pSi pic.twitter.com/p3pZUNUVAO
— Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (@BvCW_de) May 2, 2024
Vorgeschlagene Änderung 2: Die Inanspruchnahme desselben kommerziellen Anbieters für mehrere Dienstleistungen (mit Ausnahme von Cannabisanbau und -vertrieb) ist verboten.
Grund angegeben
Um kommerzielle Geschäftsmodelle zu verhindern, die auf gebündelten Paketdiensten für Anbauverbände beruhen.
Warum es problematisch ist
Erstens verstößt dies wiederum gegen den Grundsatz der Privatautonomie, dessen zentraler Aspekt darin besteht, dass Organisationen selbst entscheiden können, wen sie einstellen oder unter Vertrag nehmen und zu welchen Bedingungen.
Zweitens wird dadurch die Berufsfreiheit derjenigen Unternehmen verletzt, die sich auf die professionelle Unterstützung von Anbauverbänden spezialisiert haben. Die Freiheit der Berufswahl umfasst das Recht jedes Einzelnen, seinen Beruf oder seine Tätigkeit frei zu wählen und auszuüben. Dieses Recht gilt nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für juristische Personen. Indem die geplante Änderung die Anbauverbände daran hindert, gebündelte Paketdienste von einem Dienstleister zu beziehen, schränkt sie die freie Berufsausübung dieses Unternehmens ein. Diese Einschränkung der beruflichen Freiheit ist weder durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt noch verhältnismäßig.
Darüber hinaus betrifft dies neben Unternehmen, die maßgeschneiderte Dienstleistungen für Anbauverbände anbieten, auch die üblichen Teilnehmer an anderen Rechtsgeschäften. Denn die in der Änderung genannten Dienstleistungen umfassen auch „alle Dienstleistungen, die gegen Entgelt erbracht werden“, d.h. auch die Vermietung/Verpachtung von Räumen, die Lieferung von Strom, Heizenergie usw. Laut der offiziellen Begründung soll mit dieser Regelung vermieden werden, „dass Vertragspartner bei der Vermietung von Immobilien zum Zwecke des Anbaus gleichzeitig Vermieter, Energielieferant oder die für die Sicherheit der Immobilie verantwortlichen Personen sein können, zum Beispiel in Form der Bereitstellung von vollständig mit Heizung, Beleuchtung, Bewässerung und Kameratechnik ausgestatteten Anbauflächen für eine große Anzahl von Anbauverbänden in derselben Immobilie“. Die Bündelung mehrerer solcher Leistungen entspricht jedoch dem typischen Charakter eines Pachtvertrags, der auch bei Rechtsgeschäften in anderen Bereichen üblich ist (z.B. Pachtvertrag für ein Restaurant mit entsprechender gastronomischer Ausstattung und Wartung, Umlage der Verbrauchskosten über die Nebenkostenabrechnung usw.). Damit wäre auch die Berufs- und Eigentumsfreiheit des Leasingnehmers beeinträchtigt.
Nicht nur verfassungswidrig, sondern auch kontraproduktiv
Abgesehen von dem Argument, dass die Änderungen verfassungswidrig sind, haben sowohl die Anwaltskanzlei als auch die BvCW Bedenken geäußert, dass sie kontraproduktiv wären und dazu dienen würden, die Ziele des CanG zu untergraben, den Schwarzmarkt zu stärken und die Verwaltungsgerichte und -prozesse zu belasten.
Im Falle des Verbots mehrerer Dienstleistungen von einem kommerziellen Anbieter beispielsweise führt die Notwendigkeit, verschiedene Tätigkeiten verschiedenen Mitarbeitern/Auftragnehmern zuzuweisen, zu einer Fragmentierung der Arbeitsabläufe und verringert die Wirksamkeit der internen Kontrollen und Sicherheitsmaßnahmen. Dies erhöht die Arbeitsbelastung der zuständigen Behörden bei der Überwachung der Anbauverbände und schafft potenzielle Lücken im System, die von unethischen Akteuren ausgenutzt werden könnten.
Sollten diese Änderungen verabschiedet werden, ist mit einer Klagewelle der Anbauverbände und ihrer Dienstleister zu rechnen, was zu einer Belastung der Verwaltungsgerichte und einem Mangel an Rechtssicherheit für alle Akteure führen dürfte.
Für weitere Informationen siehe hier: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw20-de-cannabis-999684