Nachfolgend haben wir im zweiten Teil die wichtigsten Erkenntnisse aus den lebhaften und vielfältigen Diskussionen von Tag 1 der Cannabis Europa 2025 zusammengefasst. Falls Sie in die Details eintauchen möchten, besuchen Sie uns wieder. Wir in den kommenden Wochen jede Sitzung ausführlicher behandeln. Sie können dazu die zentralen Einblicke von Teil 1 des ersten Tages hier lesen und unsere Berichterstattung über Tag 2 hier.
Deutschland schwenkt um: Die Auswirkungen der neu gewählten Regierung auf das deutsche Wachstum im Cannabismarkt
Deutschland, das in Europa einst als Musterbeispiel für eine vernunftbasierte Cannabisreform galt, sieht sich nach der Wahl einer neuen Koalitionsregierung nun mit politischer Unsicherheit konfrontiert. In dieser Sitzung wurde untersucht, was diese Veränderungen für den medizinischen und den Erwachsenenbereich von Cannabis bedeuten und warum der „Geist aus der Flasche“ ist, selbst wenn sich der Fortschritt verlangsamen wird.
Die Realität nach der Legalisierung
– Dirk Heitepriem (Aurora Europe & BvCW-Vorsitzender) stellte fest, dass es einfacher war, das Cannabisgesetz zu schaffen als es zu verteidigen. Da es keine klare Struktur für die Marktüberprüfung gibt, befindet sich die Branche jetzt in einer Phase des „Zeitkaufs“ und wartet auf Daten, die ihre Existenz rechtfertigen.
– Trotz der Dynamik werden die Clubs von der Bürokratie gebremst. Olivia Ewenike (Cannabis Law Academy) betonte, dass administrative Verzögerungen und langsame Antworten der Behörden einige Clubs auf den Schwarzmarkt zwingen würden.
Vereine, Stigmatisierung und uneinheitliche Durchsetzung
– Ewenike wies auf ein Missverständnis bezüglich gemeinnütziger Strukturen hin und deutete an, dass Vereine von profitablen Dienstleistern unterstützt werden können – eine Unterscheidung, die die Behörden gerade erst zu begreifen beginnen.
– Sascha Mielcarek (Canify AG) wies darauf hin, dass der Betrieb von Clubs teuer sei und dass sie ohne operative Flexibilität den finanziellen Zusammenbruch riskierten. Es gibt Bewegung bei einigen lokalen Regulierungsbehörden, aber Angst, Stigmatisierung und Übervorsichtigkeit dominieren immer noch das Bild.
Medizinisches Cannabis und der „Tsunami“ der Importreform
– Vladimir Kofcegarski (PharmCann Deutschland AG) bezeichnete die Herausnahme von medizinischem Cannabis aus dem Betäubungsmittelrahmen als „Tsunami“ und warnte davor, dass dies sogar die wichtigsten Akteure auf dem Markt stören werde. Er zitierte Polens 70-prozentigen Abschwung als warnendes Beispiel.
– Mielcarek kritisierte die Politik der Importquoten ohne Daten und sagte, dass die deutschen Gesundheitsminister die Unsicherheit als Waffe einsetzen, während die tatsächlichen Nutzungsdaten erst im Oktober vorliegen werden – und die endgültige Bewertung wird nicht vor 2028 erwartet.
Was ist realistisch in Bezug auf eine Reform oder eine Rücknahme?
– Die Diskussionsteilnehmer waren sich weitgehend einig, dass eine vollständige Rücknahme unwahrscheinlich ist. Heitepriem betonte, dass wir in einem sich ständig verändernden Cannabismarkt leben, aber dass eine Reform wahrscheinlicher ist als eine Aufhebung. Die nächste politische Phase wird Debatten bringen, keine Rücknahme.
– Anpassungen in der Telemedizin könnten auf dem Tisch liegen, sagte Mielcarek, aber drastische Änderungen sind unwahrscheinlich, es sei denn, Cannabis wird wieder neu klassifiziert – was politisch jedoch schwer rückgängig zu machen ist.
Der Weg zur Professionalisierung: Modelle, Gewinnspannen und Denkweise
– Ewenike regte an, ein hybrides Modell anzustreben: nicht gewinnorientierte Vereine, die von einer gewinnorientierten Infrastruktur unterstützt werden. Dieses Modell könnte die Nachhaltigkeit fördern, sobald die Behörden aufholen.
– Heitepriem wies auf die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern hin und betonte die Notwendigkeit kopierbarer, skalierbarer Clubmodelle. Die tief verwurzelte Stigmatisierung bedeutet jedoch, dass selbst regelkonforme Betreiber mit nahezu unmöglichen Standards konfrontiert werden.
Investitionen in Cannabis als verschreibungspflichtiges Medikament: Beweise, Chancen und Risiken

Ein reifender Sektor, aber Daten bleiben das Tor zur Skalierung
– Bernhard Babel (CEO, Avextra) betonte, dass Cannabis im Vereinigten Königreich zwar nach wie vor zu wenig genutzt wird, es aber bereits mehr Studienaktivitäten und Erkenntnisse aus der realen Welt gibt, als häufig anerkannt wird. Diese können nun aber zur Unterstützung robuster klinischer Studien genutzt werden.
– Melissa Sturgess (CEO, Ananda Pharma) bekräftigte, dass der einzige gangbare Weg zu Arzneimitteln nach wie vor über RCTs führt, „ob es uns nun gefällt oder nicht“, insbesondere im Hinblick auf einen breiten Zugang und die Kostenerstattung. Sie nannte GW Pharmaceuticals als bewährtes Modell für die Navigation auf diesem Weg: von der Produktentwicklung bis zur Lizenzvergabe.
Diskrepanz zwischen Finanzierungsquellen und wissenschaftlichen Zeitplänen
– Tristan Gervais (Gründer, T Capital) zog einen Vergleich zwischen dem institutionellen Kapital, das die Pharmaindustrie unterstützt, und den vermögenden Investoren, die medizinisches Cannabis finanzieren. Investoren in Cannabis sind mit einzigartigen Risiken konfrontiert und sind mehr von regulatorischen Veränderungen abhängig, um Werte zu erschaffen.
– Michael Trace (Managing Director, FTI Consulting) fragte, wonach Biotech-Investoren suchen. Babel antwortete, dass die traditionellen Pharma-KPIs und das Lizenzierungspotenzial nach wie vor wichtige Maßstäbe sind.
– Sturgess merkte an, dass das „Tal des Todes“ bei Phase-2-Studien in der Cannabinoid-Forschung eine besondere Herausforderung darstellt. Den traditionellen Sicherheitstests wird weniger Bedeutung beigemessen werden, da wir wissen, dass Cannabis seit Jahrhunderten sicher verwendet wird.
Von GW lernen und auf dem Fundament aufbauen
– Der sechsjährige Weg von GW zu Epidyolex wurde als überraschend kurze Entwicklungszeit hervorgehoben, die andere nachahmen können.
– Sturgess erläuterte, wie Ananda die vorhandenen Daten von GW in Australien zum Vergleich seines Leitwirkstoffs nutzt, was die Studienkosten senkt und den Entwicklungszyklus verkürzt.
– Sie wies darauf hin, dass GW seine Versorgungskette aufbauen und stark in das Marketing investieren musste, während die heutige Marktreife es neueren Marktteilnehmern ermöglicht, API zu kaufen und die Vorarbeit von GW zu nutzen.
Konvergenz zwischen Pharma- und Cannabisindustrie
– Babel beobachtete eine wachsende Synergie: Die Cannabisindustrie profitiert von den Standards der Pharmaindustrie, während die Pharmaindustrie nun auf die Patientendaten und die praktischen Erfahrungen der Cannabisunternehmen zurückgreifen kann.
– Gervais stimmte zu, dass Telemedizinplattformen über einen riesigen Bestand an Patientendaten verfügen, den die Pharmaindustrie in das Studiendesign und die Zulassungsanträge integrieren sollte.
– Dennoch bleibt das Vertrauen der Pharmaindustrie trotz der jahrhundertelangen Verwendung von Cannabis und der Daten von Hunderttausenden von Patienten begrenzt.
Kapital auf dem Scheideweg: Die Finanzierung von Cannabis in Europa

Kapitalflucht, Investorenmüdigkeit und der lange Weg zur Legitimität
– Anthony Coniglio (NewLake Capital Partners) eröffnete die Diskussion mit einer ehrlichen Einschätzung: Der Mangel an Stabilität und Vorhersehbarkeit schreckt Investoren weiterhin ab. Während sich viele an die „Ära des Goldrausches“ erinnern, ist das heutige Umfeld von Unsicherheit und Vorsicht geprägt.
– William Muecke (Artemis Growth Partners) betonte, dass Cannabis auf der Liste der institutionellen Anleger nach wie vor weit unten steht, wobei er den globalen wirtschaftlichen Druck und die anhaltenden regulatorischen Überhänge anführte. Ohne institutionelle Beteiligung bleiben die Kapitalmärkte für Cannabis dünn und zersplittert.
Spezialkapital hält den Raum zusammen
– Muecke argumentierte, dass dies ein idealer Zeitpunkt für „Value-Investitionen“ ist, da die Unsicherheit auf Bundesebene die Bewertungen weiterhin drückt. Aber es ist nichts für Gelegenheitsinvestoren. Um erfolgreich zu sein, muss man sich voll und ganz auf den Sektor einlassen und die Marktdynamik ständig im Auge behalten.
– John Pinto (SOJE Capital) fügte eine Dosis Humor und Ehrlichkeit hinzu, indem er seine Cannabis-Investition als eine seiner schlechtesten finanziellen Entscheidungen bezeichnete – wenn auch als eine der lohnendsten für ihn persönlich. Er merkte an, dass die Erwartung schneller Renditen oft der Grund für viele schlechte Investitionsstrategien ist.
Lehren aus den USA: Risiko, Realität und Neukalibrierung
– Coniglio wies darauf hin, dass die US-Investoren durch kurzfristiges Denken verbrannt wurden, da viele auf der Jagd nach schnellen Renditen waren und die strukturellen Hürden unterschätzt haben. Jetzt gibt es eine klare Abneigung, sich wieder zu engagieren, wenn keine längerfristige Lebensfähigkeit und kein Rahmen vorhanden ist.
– Pinto stimmte dem zu und erklärte, dass viele US-Cannabisunternehmen von nicht nachhaltigen Kapitalplänen – die auf unrealistischen Zeitplänen basierten – heimgesucht wurden.
Warum Europa immer noch attraktiv ist
– Auf die Frage, ob sich die USA mittlerweile als „uninvestierbar“ herausstelle, wiesen die Diskussionsteilnehmer diese Frage zurück. Pinto sagte, er sei in diesen Bereich eingestiegen, weil er an das Entstehen eines verbraucherorientierten Marktes glaubte – eine Ansicht, die er immer noch vertritt. Er räumte jedoch ein, dass das Kapitalumfeld falsch eingeschätzt worden sei.
– Coniglio betonte, dass es bei dem Interesse an Europa nicht darum geht, die USA aufzugeben, sondern um Diversifizierung. Auf Immobilien basierende Strategien wie die von NewLake bieten einen risikoärmeren Einstieg, während die sich abzeichnenden regulatorischen Rahmenbedingungen in Europa im Laufe der Zeit eine größere Vorhersehbarkeit bieten können.














